Im Gedenken an Marcel

Im Gedenken an Marcel

Marcel Gloor war der alte Schauspielhase bei teatro mobile.

Marcels riesiger Erfahrungsschatz und seine Leidenschaft für’s Theater durften die Zuschauer in den ersten vier teatro mobile Produktionen miterleben, sei es als Abel Znorko in “Enigma”, als Einstein in “Einsteins Verrat” oder als Paartherapeuten in “Die Wunderübung.”

Leider musste Marcel viel zu früh die Bühne des Lebens verlassen. Seine Energie auf der Bühne wird uns immer begleiten.


LAUDATIO für Marcel

(Gehalten in Dialekt von Michael Laubscher in der Reformierten Kirche Sissach am 25. Sept. 2020, nach Mark Knopflers Lied “True love will never fade”)

«True love will never fade» – «Wahre Liebe vergeht nicht»

Liebe Madeleine, lieber Claudio, liebe Trauerfamilie, liebe Trauergemeinde,

Ich bin fassungslos, traurig und leer. Ich kann und will es einfach nicht glauben, dass Marcel nicht mehr da ist.

Marcel, wir sind doch noch vor gut 2 Wochen bei einem Gläschen «Roten» zusammengesessen, einem Ochsen-Einerli?

Du hast ihn Ochsen-Einerli genannt, weil das Einerli im Ochsen eben mehr ein Zweierli war. Aber das hat dich ja nie gestört…

Jetzt stehe ich da, wie auf einer Bühne, wie vor Publikum…aber du bist nicht da!

Du konntest einem auf der Bühne diese Sicherheit geben, die ich jetzt hier so nötig hätte. Es war aber keine Sicherheit, die bequem und träge machte, sondern eine Sicherheit, die einen inspirierte und die es einem ermöglichte, dass man sich frei auf der Bühne entfalten konnte. Man musste keine Angst haben, denn wenn man einen Fehler im Rampenlicht machte… du hast diese einfach absorbiert.

Aber zu diesem Stück hier, da habe ich nicht JA gesagt. Du hast ja nicht einmal einen Texteinsatz… auch keinen von diesen langen Monologen, die jeden anderen Schauspieler zur Verzweiflung gebracht hätte. Bei dir waren diese Monologe eine Wunderübung! – Deine Wunderübung!

Erinnerst du dich noch an unsere erste Begegnung? Vor 8 Jahren bist du mit Madeleine aufgetaucht, einfach so während der Proben von der Theatermühle Arisdorf und bist in die erste Reihe gesessen… mit kritischem Blick hast du uns zugeschaut.

Einen Schal hattest du damals schon angehabt. Und weil deine Bühnenpräsenz auch schon in der ersten Reihe zu spüren war, dachte ich: Entweder ist das ein bekannter Regisseur oder ein grosser Schauspieler.

In der Hoffnung entdeckt zu werden, habe ich an diesen Proben mein Bestes gegeben.

Das war auch nachher immer so, Marcel. Wenn man mit dir zusammen auf der Bühne stand, gab man immer sein Bestes. Und zwar einfach, weil man Lust hatte, sein Bestes zu geben. Deine Energie war so ansteckend. Man konnte einfach nicht anders.

Und ja, du – als älterer grosser Schauspieler – hast mich tatsächlich entdeckt:

Vor sechs Jahren hast du mich gefragt, ob ich mit dir zu zweit «Enigma» spielen möchte – ein Stück, in dem ein älterer grosser Star einen jüngeren unsicheren Mann auf seine Insel einlädt – am Schluss verabschieden sie sich in Liebe.

Ja, das könnte unsere Geschichte sein, du warst damals für mich der grosse Theaterstar, der mit mir seine Theaterinsel teilen wollte. Zum Glück war unser Mittelteil viel harmonischer als im Stück.

Dieser Mittelteil, die gemeinsamen Erlebnisse, gehören zu den schönsten und wertvollsten in meinem Leben. Sei es auf der Bühne, sei es neben der Bühne.

Was haben wir auf der Bühne gelebt: Wir haben uns angeschrien, wir weinten, wir lachten, wir schauten uns bös an, wir schauten uns lieb an. Du hast sogar einmal auf mich geschossen. Wir haben uns so frei gefühlt. Wir haben uns wortlos und blind auf der Bühne verstanden, wir haben uns einfach gespürt – wie siamesische Bühnenzwillinge. 81x gönnten wir unser obligates Glas «Weissen» in der Pause, ausser einmal, als du mit 39,5 Grad Fieber gespielt hast.

Das Soziale neben der Bühne war dir aber genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Lieber hast du einen deiner berühmt-langen Monologen oder einen ganzen Akt in der Probe ausgelassen, so dass man noch gemütlich zusammen-sitzen konnte. Du warst ein echter Freund! Ich weiss, es gibt Menschen hier, die deine unendlich grosse Hilfsbereitschaft erfahren durften.

Wenn man mit dir zusammen war, hat man nie einen Altersunterschied gespürt. Du hast mit deiner integrierenden und einfühlsamen Art auch die jungen Menschen berührt. Das beweisen auch die vielen starken Reaktionen von den jüngeren Theatermitgliedern, die ich in den letzten Tagen bekommen habe.

Und jetzt hast du die ganz grosse Bühne, die Lebensbühne, verlassen?

«True love will never fade» – «Wahre Liebe vergeht nicht»

Weisst du Marcel, all die Menschen, die heute gekommen sind, sie alle tragen ein Stücklein «Wahre Liebe» in sich, die sie für dich haben.

Obwohl du erst mit 48 Jahren mit dem Theaterspielen in der Theatergruppe Jenins angefangen hast, hast du seither in so vielen Produktionen mitgespielt. Ich bin mir sicher, dass du jeden hier mit einem von deinen Auftritten berührt hast. Unvergesslich auch Dinner for One mit Madeleine und Einsteins Verrat zusammen mit Claudio. Dieser gemeinsame Auftritt mit deinem Sohn hat dir als Vater sehr, sehr viel bedeutet.

Ja, du hast gelebt. Dein Leben war bunt, und du hast mein Leben und das von vielen anderen bunt gemacht.

Ich spüre dich schon, spätestens jetzt würdest du mich unterbrechen und sagen:
«Es isch jetz scho guät!» «Ich gib dr rächt, Marcel, jetz isch es guät.»